Meinungs- und Interessenvertretung der SPD-Landtagsfraktion am 08.02.2024 zu TOP 18 GE Pflegeberufegesetz, CDU

Meine Rede zum Antrag der CDU zur Gesetzesänderung in der Generalistik

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Bessere Bildungspolitik statt rot-grünes Zaudern - Kultusministerin muss endlich handeln!“ - so lautete die etwas provokant formulierte Forderung zur Aktuellen Stunde heute Morgen. Am selben Tag kommt Ihr Antrag zu einem Gesetzentwurf, der die folgende Überschrift tragen könnte: Beseitigung der Allgemeinbildung an niedersächsischen Pflegeschulen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Volker Bajus [GRÜNE]: Richtig!)

Sie fordern, die Regelzuständigkeit von der Kultusbehörde in die Gesundheitsbehörde zu verlagern, ganz ohne zu zaudern, ohne die ‑ wir haben es von Tanja Meyer gehört ‑ in 2025 anstehende Evaluation abzuwarten, ohne überhaupt über eine valide Datenlage zu verfügen und ohne wirklich zu gucken: Was genau sind eigentlich faktisch die Bedarfe für eine gute Unterrichtsversorgung der Schülerinnen und Schüler in der Pflege in Niedersachsen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was muss denn getan werden, um die Unterrichtsversorgung zu verbessern, um eine bessere Bildungspolitik auch und vielleicht gerade für die Menschen in diesem Berufsfeld anzustreben, anstatt zu streichen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Läuft nicht ganz rund, muss also weg?

Ihr Gesetzentwurf strebt die Herauslösung der Pflegeausbildung aus dem Niedersächsischen Schulgesetz an. Zuständig für originäre Aufgaben einer Schulbehörde wäre nach diesem Entwurf die Gesundheitsbehörde. Genauer: zuständig also für Lehrplanerstellung, Regelungen zur Notenbildung oder für Zwischenprüfungen, Formulierung von Mindestanforderungen für Schulen und Lehrende. - Mit diesem Gesetz nehmen Sie den Auszubildenden in der Pflege die Normalität der Ausbildung.

(Sebastian Lechner [CDU]: Nein!)

‑ Doch. Für alle anderen beruflichen Ausbildungen in unserem Berufssystem ist das Kultusministerium hier in Niedersachsen zuständig. Für die Pflegeausbildung gilt dann wieder ein Sonderweg abseits europäischer Bildungsnormen, wie es der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe in einer aktuellen Stellungnahme kritisiert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Sebastian Lechner [CDU]: Das machen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auch!)

Sie schreiben in Ihrem Antrag:

„Ziel dieses Gesetzes ist es, die derzeitige gesetzliche Vorgabe, allgemeinbildende Fächer im Umfang von mindestens 280 Stunden zu erteilen,“

‑ Sie sagten es, Herr Meyer ‑

„zu beseitigen.“

Sie mutmaßen danach weiter, denn valide Zahlen, Daten, Fakten gibt es, wie erwähnt ja noch gar nicht:

„Mit diesem Gesetz soll es“

‑ durch die Abschaffung ‑

„mehr Menschen ermöglicht werden, die Ausbildung … erfolgreich zu absolvieren.“

So sagten Sie das ja auch gerade. Das scheint aber deutlich zu kurz gedacht. Ich sehe da keinen Zusammenhang. Das nimmt den Schülerinnen und Schülern nicht nur die Chance auf einen erweiterten Sekundar-I-Abschluss ‑ Tanja Meyer hat es benannt ‑, sondern auch viele Chancen, sich weiterzuentwickeln. Wir brauchen aber gerade in diesem Beruf selbstbewusste, kommunikative, mündige und kompetente Menschen, die Verantwortung übernehmen,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

die wissen, wie wichtig eine Berufsordnung wäre und wie wichtig gerade im internationalen Vergleich die Profession Pflege ist.

Warum ist das eigentlich so? Dafür wäre es erst mal wichtig zu verstehen: Was meint eigentlich Pflege? - Ich habe immer den Eindruck: Um mit einem Schieber von links nach rechts zu laufen, braucht man keine Allgemeinbildung im Sinne von anderen Bereichen.

Dafür, was Pflege eigentlich meint, habe ich Ihnen mal eine Definition mitgebracht. Der International Council of Nurses definiert sie wie folgt:

„Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund,“

‑ ganz wichtig: oder gesund! ‑

„in allen Lebenssituationen. Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse …, Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung.“

Es ist wichtig, zu verstehen, was das bedeutet und was eigentlich in Pflege steckt. Professionelle Pflege ist in der Lage, ganz viele Menschen aus dem Bett zu pflegen statt im Bett zu pflegen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie von Delia Klages [AfD])

Professionelle Pflege ist in der Lage, auch chronisch kranke Menschen sehr lange und in hohem Maße so gesund zu erhalten, dass sie keine pflegerische Grundversorgung benötigen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und: Professionelle Pflege ist in der Lage, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Sie kompensiert nämlich nur da, wo es nötig ist.

Professionelle Pflege erarbeitet zielgerichtete und systematische Arbeitsabläufe, um Probleme und Ressourcen bei ihren Patient*innen zu erkennen. Daraus abgeleitet werden die richtigen Maßnahmen geplant, organisiert und umgesetzt, um am Ende diese Probleme bestenfalls aufzulösen.

Wie Sie daran vielleicht erkennen, braucht es gerade in diesem Beruf eine fundierte, gute Ausbildung

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

und eben keine fortwährende Dequalifikation, nur weil wir ganz dringend Menschen im System brauchen. Das wird so nicht klappen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Natürlich, Herr Meyer, schauen wir uns genau an, wo es in der Generalistik noch hakt. Aus Gesprächen weiß ich beispielsweise, dass man sich an den Berufsschulen mehr Passgenauigkeit und mehr Beweglichkeit wünscht.

(Sebastian Lechner [CDU]: Ja, was bedeutet „Passgenauigkeit“ wohl?)

‑ Das erzähle ich Ihnen jetzt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die zunehmende Heterogenität der Gruppe wird im bisherigen System offenbar nicht ausreichend berücksichtigt. Im Fach Deutsch ‑ das wurde hier schon berichtet ‑ sitzt zum Beispiel die vielleicht relativ unterforderte Abiturientin neben ihrem Mitschüler aus Mexiko, der vielleicht gerade ein Jahr lang dabei ist, die deutsche Sprache zu erlernen und viel mehr Förderung braucht, um mitzukommen. Für diese unterschiedlichen Lernvoraussetzungen braucht es Lösungen. Da sehe ich die Kompetenzen in erster Linie beim Kultusministerium.

(Volker Meyer [CDU]: Damit haben Sie schon verloren!)

Wenn man sich also mehr Passgenauigkeit und Beweglichkeit wünscht: Sie fordern mit diesem Gesetzentwurf einen einheitlichen Landesrahmenplan für die generalistische Pflegeausbildung. Dazu darf ich aus einer aktuellen Pressemitteilung des Verbandes Deutscher Privatschulen Frau Sandra Marschall zitieren:

„Alle Schulen haben bereits in vielen Arbeitsstunden im Vorfeld der generalistischen Pflegeausbildung schulinterne Curricula erstellt, die die individuellen Bedürfnisse vor Ort abbilden.“

Es scheint nicht so, als würde ein einheitlicher Landesrahmenplan dem Wunsch nach passgenauen und beweglichen Lösungsvorschlägen dienlich sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Sebastian Lechner [CDU]: Es kommt auf den Rahmenplan an!)

Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie wir Herausforderungen möglichst zusammen lösen und gute Perspektiven für dieses wunderbare Berufsfeld schaffen! Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)