Meine Rede zur 1. Beratung "Verlässliche Arzneimittelversorgung in Niedersachsen endlich herstellen"

Andrea Prell (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Damit hier zunächst mal kein falscher Eindruck entsteht, lassen Sie mich erst mal eines festhalten: In Niedersachsen ist die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten grundsätzlich gesichert.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Denn trotz der von Ihnen genannten in etwa 450 gemeldeten Lieferengpässe, die übrigens in Summe bei 105 000 zugelassenen Medikamenten noch nicht mal 0,5 % ausmachen, ist die Grundversorgung eben nicht in Gefahr, Frau Klages, weil unter anderem durch Importalternativen und Umverteilung gegengesteuert wird.
Im Herbst vergangenen Jahres war auch bei mir im Wahlkreis in der Apotheke das Kochsalz ‑ es ging durch die Medien ‑ knapp, das stimmt. Aber bereits zum Jahresende ‑ so jedenfalls haben es mir die Apotheken in meinem Wahlkreis vor Ort, mit denen ich gesprochen habe, erzählt ‑ hat man aufgrund von Bevorratung und Bestellung über den Großmarkt zeitnah doch zumindest wieder eine Entspannung in den meisten Apotheken gehabt.
Lieferengpässe bei Medikamenten sind im Übrigen kein niedersächsisches Problem, auch kein deutsches Problem, sondern ein globales. Es ist im Übrigen auch kein neues Thema, Frau Klages.
(Klaus Wichmann [AfD]: Aber es gibt Handlungsbedarf!)
Wie der Unterrichtung ‑ Sie haben es selber gesagt ‑ durch die Landesregierung im Verbraucherausschuss im September letzten Jahres zu entnehmen war, reichen die Gründe für die Engpässe von geopolitischen Veränderungen ‑ wir haben es heute eben nicht mehr nur mit sicheren Ländern zu tun ‑ bis zu der Tatsache, dass wir leider viel Produktion in Europa verloren haben.
Wir erkennen diese Herausforderungen an. Natürlich ist uns bewusst ‑ auch das ist der Unterrichtung zu entnehmen ‑, dass die weltweite Knappheit von einigen Medikamenten gravierende Folgen haben kann. Allein Ihr Adressat ist hier weder ausreichend noch richtig. Denn was das Land hier tun kann, das tut es bereits, und das ist auch begrenzt. Sie haben ja schon im Detail auf die Antwort in der Drucksache 19/5929 auf eine Kleine Anfrage hingewiesen. Im Einzelnen ‑ das haben Sie auch gesagt ‑ kann die Landesbehörde zum Beispiel nach Bekanntgabe eines Versorgungsmangels für ein Arzneimittel für einen kurzen Zeitraum von bestehenden Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abweichen. Das heißt aber nicht, wie Sie hier suggerieren, dass die Sicherheit des Medikamentes dabei irgendwie nicht in Ordnung sei. Sie ist genauso gewährleistet wie sonst auch. Zum Beispiel ist die Beschriftung oder die Gebrauchsanweisung nicht in deutscher Sprache, und man muss das dann nachträglich beifügen, damit es in den Handel kommen kann.
Dass die Landesregierung außerdem sowieso intensiv und permanent daran arbeitet, Unternehmen in Niedersachsen anzusiedeln, dass Niedersachsen eben nicht zuständig ist für das Lagern von Arzneimitteln zur Regelversorgung - alles das wurde in den genannten Schriftstücken ausführlich erläutert. Sie haben ja hier nur einen Teil zitiert. Das ist Ihnen auch bekannt, und daher gehe ich heute nicht näher auf die Inhalte ein.
Wir müssen doch mit Blick auf die Lieferketten logischerweise auf die nationale und die europäische Ebene schauen. Als Land können wir schlecht in Bereiche eingreifen, die nun mal bundesgesetzlich geregelt sind. Die Rolle des zuständigen Bundesamtes haben Sie ja eben selbst dargestellt. Mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz ‑ das ist sicherlich kein schöner Name ‑
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
des Bundes sind sehr wohl schon Verbesserungen erzielt worden. Was die Versorgung mit Medikamenten für Kinder betrifft, wurden beispielsweise Rahmenverträge und Festbeträge abgeschafft, was zu einer deutlich größeren Auswahl geführt hat. Bei Ausschreibungen für Antibiotika werden jetzt europäische Anbieter bevorzugt, und Apotheken haben in Bezug auf Austausch von Medikamenten einen größeren Spielraum, auch wenn da sicherlich in Bezug auf den Zuschlag noch nachzuschärfen ist.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Das in Ihrem Antrag erwähnte Frühwarnsystem beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte befindet sich ‑ wie Sie auch wissen ‑ bereits im Aufbau, um vor drohenden Lieferengpässen zeitnah warnen zu können.
Vor allem aber braucht es europäische Lösungen. Das Problem weltweiter Lieferengpässe und eines weltweiten Mangels an Medikamenten kann Niedersachsen nicht allein lösen ‑ auch wenn ich Herrn Minister Philippi natürlich sehr viel zutraue ‑, und auch Deutschland kann es nicht allein lösen, sondern wir brauchen dauerhaft wieder mehr Pharmaindustrie in ganz Europa. Die AfD hingegen will aus der Europäischen Union aussteigen, sie will nicht sehen, dass wir mit Europa eine starke Gemeinschaft haben, während Deutschland einfach zu klein ist, um Herausforderungen in dieser Größenordnung allein meistern zu können. Glauben Sie im Ernst, dass mit Austritt aus der EU die Versorgung mit Medikamenten eine positive Wende nehmen wird? - Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema befasst, weiß, dass es ein Prozess über mehrere Jahre werden wird, die Produktion wieder vermehrt nach Europa und somit nach Deutschland und zu uns zu bekommen. Die SPD und die Landesregierung stehen für nachhaltige und realistische Lösungen, um die Versorgungssicherheit mit allen wichtigen Medikamenten auch langfristig zu sichern -
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
und das natürlich im Schulterschluss mit dem Bund und mit Europa. Die AfD kann gern weiter „Deutschland-zuerst“-Schilder hochhalten, aber dann wird der Apothekerschrank auch langfristig leer bleiben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Nachfrage von Frau Klages
Andrea Prell (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Klages, Sie können ja gern anderer Meinung sein, nur wird Ihre Meinung wohl kaum einem Faktencheck standhalten, was Europa angeht. Sie haben den Bund adressiert - das ist richtig. Von Europa, EU, gemeinsamer Wirtschaft steht gar nichts in Ihrem Antrag.
(Delia Klages [AfD] spricht mit Klaus Wichmann [AfD])
- Sie können mir auch zuhören ‑ ich habe Ihnen auch zugehört ‑, wenn es Sie interessiert - weiß ich ja nicht.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das sind ja immer nur Reden für die Galerie!)
Und dass Ihre Meinung eben kein Fakt ist, ist bekanntlich auch nichts Neues.
Das Institut der deutschen Wirtschaft kommt zu der Einschätzung, dass Deutschland bei einem Ausstieg aus der EU in den nächsten 15 Jahren rund 2,2 Millionen Arbeitsplätze verlieren würde. Nach 15 Jahren dürften dauerhaft rund 10 % an realer Wirtschaftsleistung weggefallen sein. Das macht pro Jahr etwa 400 Milliarden Euro. So viel zu den Fakten, die Institute dazu haben.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Klaus Wichmann [AfD] - Gegenruf von Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Das ist zu anspruchsvoll für Sie, Herr Wichmann!)